Die Grenzen im Genese-Modell

9.7.2021

Anknüpfend an eigene Theorien ist es nicht sehr schwierig, die semitische Gotteslogik weiterzudenken. Für uns Christen ist Gott der Urheber der Schöpfung, wenn Schöpfung immer die initiale Schaffung von Gutem bedeutet. Das Schlechte macht er nicht. Das ist des Menschen Werk. Böse Menschen und böse Gedanken sind nicht sein Werk. Also ist Gott an der ganzen Genese beteiligt und nicht nur an Teilen. Nun habe ich mich tatsächlich nicht sehr um die Grenzen in meinem Genese-Modell gekümmert, sondern eher um die Zeilen- und Spaltenkategorien und die dadurch entstehenden Felder und zu bestimmenden Feldinhalte. Bei meinem Achsenkreis-Modell ist die Hinwendung zu Grenzen und die inhaltliche Bestimmung der Grenzen durch die Modellbildung schon vorgezeichnet. Aber wer überhaupt hat sich bei Tabellen schon jemals um die Trennstriche der Zeilen und Spalten gekümmert?

(statt „Körper“ verwende ich in jenem Feld schon seit langem den Begriff „Werk“; „Werk“ ist immer körperlich, auch wenn etwas nur in Texten dargelegt wird)

Nun erscheint mir die Beziehung der Semitischen Götter-Logik zur Lacanschen Begrifflichkeit sinnfällig. Hier gibt es also Korrespondenzen. Auf JHWH und die Symbolhaftigkeit wies ich schon hin. Lacan setzte an Freud an, um – sagen wir mal – produktive Missverständnisse in die Welt zu setzen. Vielleicht auch eine sokratische Technik, um die Wahrheit sagen. Das Puzzlestück ist nicht das ganze Puzzle. Natürlich irrte Lacan auch und mein Genese-Modell kann wieder einmal seine Aussagekraft beweisen. Lacan stellt das Imaginäre, das Symbolische und das Reale in Form von drei sich ineinander schlingenden Ringen dar, wobei die Ringe jeweils paarweise unverschlungen sind. Als „borromäischen Knoten“. Quasi-trinitarisch? Wenn „El“ Gott als Imaginäres und „JHWH“ Gott als Symbolhaftigkeit ist, dann braucht es auch noch mindestens einen „wirklichen Gott“.

Den einen Gott als Symbolhaftigkeit findet man nicht bei den Muslimen bzw. sie finden ihn nicht. Den wirklichen Gott findet man nicht bei den Juden bzw. sie finden ihn nicht. Die Imagination ist bei jener Ausgestaltung des Genese-Schemas die Grenze zwischen dem Selbst als der genetischen, identitätsgebenden Anlage des Menschen (und der Abgrenzung zu allem/allen Anderen) und dem Leben von der Zeugung bis zum Tod. In der semitischen Gottes-Logik befindet sich dort „El“. Die Symbolhaftigkeit befindet sich zwischen diesem Leben des einzelnen Menschen und seiner Einbindung in soziale Zusammenhänge des Zeitgebrauches und überhaupt(Zeit ist immer auch die Zeit von menschlichen Zusammenhängen – oder ihrer Repräsentation). In der Semitischen Gottes-Logik befindet sich oder befand sich dort JHWH. Die Grenze zwischen der segmentären und funktionellen Differenzierung ist die Passion Christi, des Juden, der als einziger Jude das Judentum vollständig zu transzendieren vermochte. Alle konnten nun die Symbole gebrauchen, die den Menschen zum Herrn seiner selbst machen(paradigmatisch: das Kreuz).

Die Grenzen zwischen zwei Feldern in einer Zeile bereiten die Grenze zwischen zwei Zeilen vor. Nun wollen wir diese Grenze zwischen Logik und Ethik im Anschluss an Lacan die Wirklichkeit nennen(und müssten dafür allerdings einen gesellschaftllichen von einem gesamtgenetischen Wirklichkeits-Begriff unterscheiden). In dem Genese-Modell gibt es aber keinen „borromäischen Knoten“ bezüglich des Imaginären, Symbolischen und Realen, sondern nur einen genetischen Fortschritt. Inwieweit Lacans Modell trotzdem hilfreich sein kann, wäre noch zu eruieren. Er muss bei etwas Wesentlichem angesetzt haben.

Nun fiel mir dann doch auf, dass sich die Thesen und Antithesen der Genese hier wiederfinden.

1. These der Logik insgesamt: Idealität,

Antithese der Logik insgesamt: Realität

2. These der Ethik insgesamt: Spiritualität,

Antithese der Ethik insgesamt: Materialität

3. These der Erotik insgesamt: Sexualität,

Antithese der Erotik insgesamt: Normalität.

Idealität und Realität gibt es auch noch als Antithese (Idealität) und These (Realität) der funktionalen Differenzierung der Gesellschaft, also eines Teils der Logik. Bzgl. der gesellschaftlichen Differenzierung machen die Begriffe „These“ und „Antithese“ insgesamt mehr Sinn als bzgl. der Genese als einer (der größeren) Zusammenhangslogik. Die Antithesen stammen bei der gesellschaftlichen Differenzierung nicht aus dem Bereich der Gesellschaft, sondern aus jenem der Gemeinschaft. Die eine Binnengrenze ist dann auch nicht die Idealität, sondern die Synthese aus These(Realität) und Antithese(Idealität): die Idee. Bzgl. der Genese ist es dagegen eher so, als ob die „Antithese“ die Vollendung der „These“ wäre. Wenn man die Treppen zur nächsten Etage hochgegangen ist, öffnet sich eine Tür.

Nun habe ich ehrlich gesagt keine ausgearbeitete Theorie der Idealität(allerdings könnte ich auf meine heuristischen Erkenntnisinstrumente verweisen; z.B. die platonischen Körper; begründbare differente Modellkonstruktion) und Lacans Modelle könnten da interessante Anhaltspunkte liefern. Wenn die Wirklichkeit die Grenze zwischen der Logik und der Ethik ist und Imagination und Symbolhaftigkeit ohne Zweifel in den Bereich der Idealität gehören, dann drückt sich also in den Binnengrenzen der ersten Zeile des Genese-Modells die Idealität aus bzw. wird dort dual zerlegt, analysiert. Und wenn das so ist, dann müsste das Gleiche mit der Spiritualität bei den Binnengrenzen der zweiten Zeile(Ethik)passieren und mit der Sexualität bei den Binnengrenzen der dritten Zeile(Erotik). Das ist wohl tatsächlich der Fall. Dann wäre der materiale Gott die Grenze zwischen der Ethik und der Erotik und der normale Gott wäre die Außengrenze von der Erotik nach unten hin bei dem Modell. Zum „Poietischen“ hin? Nach der Genese kommt bei meiner Theorie ja die Poiese und danach die Mathese. Dafür müssen sich Poiese und Mathese in meiner Theorie ausdrücken, logisch sein, ethisch funktionieren und erotisch auf ein Dahinter verweisen. Aber Poiese und Mathese liegen wohl eher „rechts“ vom Genese-Modell und nicht unter ihm. Also liegt das, was der normale Gott von der Genese trennt, noch nach der Mathese.

Auch wenn ich hier noch keine begriffliche Detailanalyse betrieben habe, kann man die weiteren Binnengrenzen schon veranschaulichen. Die Spiritualität lässt sich in zwei ethische Binnengrenzen auffächern: Gebet/Meditation/Innerlichwerden und Offenbarung/Vision/Ausstrahlung. Ebenso die Sexualität: Attraktion/Partnerfindung/Heirat und Copulation/Eheleben/Fortpflanzung. Eigentlich nicht groß was besonders. So normal wie das „Wir-in-der-Welt“ nun einmal ist. So wie die christliche Erziehung uns eigentlich haben will und wie wir wissen, dass es doch eigentlich richtig ist.

Kann man nun alle Grenzen auf ein einziges Dual zurückführen? Ich glaubte, das schon geschafft zu haben. Dieses Dual, das sich in allen Binnengrenzen des Genese-Modells ausdrückt, sollte jenes von Bewusstsein und Geschlecht sein, der beiden menschlichen Intelligenzen, die sich einander gegenüberstehen und nie ganz ineinander auflösen lassen. Ich hatte schon geschrieben, dass wir einen semitischen Gott El nicht brauchen, weil Gott in der Beziehung von Mann und Weib präsent ist. Er ist die Integration ihres jeweils Guten zum Besseren. Gott ist dementsprechend für die Menschen entprechend ihrer Verschiedenheit etwas Plurales. Auch wenn ich und du nur einen Gott haben, kann es nicht der Gleiche sein, wenn es nur um unsere Imagination geht. So verschieden wie wir sind, wird auch unsere Gottesvorstellung in unserer Imagination verschieden sein. Das ist keine polytheistische Göttervorstellung, sondern nur normaler Monotheismus, der auch eines Eigenanteils des Menschen, seiner Mitwirkung bedarf.

Es geht um die erste Binnengrenze, die zwischen Selbst und Leben liegt, und die ist ein Ausdruck der geschlechtlichen Intelligenz des Menschen. Also 1. Binnengrenze = Geschlecht. Die zweite mit ihrem Bezug zur Symbolhaftigkeit muss dann zum Bewusstsein gehören. Wenn man sich die dritte Zeile ansieht, ist es genau umgekehrt: Dort gehört die zweite Binnengrenze ganz konkret zum Geschlecht(u.a. Copulation) und die erste zum Bewusstsein(Auswahl des Partners zur dauerhaften Bindung). Also muss es in der zweiten Zeile zu einem entsprechenden Wechsel kommen. Dort gibt es eine Zweigeteiltheit.

Nun ist auch klar, dass die Logik auf die Ordnung des Bewusstseins bezogen ist und die Erotik auf die Ordnung der Geschlechts. Auch wenn das nur unsere eigene Projektion ist. Wenn die 1. Binnengrenze der ersten Zeile also das Geschlecht ist, dann ist sie gesamtgenetisch gesehen und somit eindeutig als Geschlecht des Bewusstseins bestimmbar. Also Imagination = Geschlecht des Bewusstseins. Und die zweite Binnengrenze der ersten Zeile ist dann das Bewusstsein des Bewusstseins. Also Symbolhaftigkeit = Bewusstsein des Bewusstseins.

Genauso können wir bei der dritten Zeile verfahren: 1. Binnengrenze der 3. Zeile = Bewusstsein des Geschlechts = Attraktion/etc.; 2. Binnengrenze der 3 .Zeile = Geschlecht des Geschlechts = Copulation/etc. . Insoweit würde das alles schon stimmen. Aber uns gehen die Begriffe aus. Denn mehr Möglichkeiten der Kombination dieser beiden Begriffe mit Hilfe des Genitivs gibt es nicht. Also muss die Wirklichkeit = Bewusstsein(Trennstrich zwischen 1. und 2. Zeile) und Materialität = Geschlecht(Trennstrich zwischen 2. und 3. Zeile) sein. Auch das müsste stimmen. Die Binnengrenzen der 2 . Zeile lassen sich ebenso eindeutig bestimmen. Nicht mit Hilfe des Genitivs, sondern mit Hilfe von Präferenzen/Dominanzen/Gewichtungen. Die erste Binnengrenze ist sowohl Geschlecht als auch Bewussstein, aber eher Bewusstsein als Geschlecht. Bei der 2. Binnengrenze der zweiten Zeile ist es genau umgekehrt.

Der Fortschritt von der 1. zur 2. Binnengrenze in Zeile 1 und 3 scheint formal ähnlich zu sein. In der Ordnung des Bewusstseins geht es vom Geschlecht des Bewusstseins zum Bewusstsein des Bewusstseins und in der Ordnung des Geschlechts vom Bewusstsein des Geschlechts zum Geschlecht des Geschlechts. Nur wenn man das Ende der 1. Zeile(also den Trennstrich zur 2.Zeile, das Bewussstein) und den Anfang der 3. Zeile(also den Trennstrich zur 2. Zeile, das Geschlecht) jeweils dazunimmt, unterscheiden sich die Folgen mit dann jeweils drei Einheiten formal:

1. Zeile: a. Geschlecht des Bewusstseins b. Bewusstsein des Bewusstseins c. Bewusstsein

3. Zeile: a. Geschlecht b. Bewusstsein des Geschlechts c. Geschlecht des Geschlechts

Kann das richtig sein? Ist das Bewusstsein des Bewusstseins nicht bewusstseinsfortschrittlicher als das Bewusstsein und ist das Geschlecht nicht geschlechtsfortschrittlicher als das Bewusstsein des Geschlechts? Es kommt jeweils auf den Telos an. Das Bewusstsein will alles sein, die ganze Komplexität in sich fassen können, das ganze All. Also ist das Bewusstsein des Bewusstseins auch nur eine Stufe auf diesem Weg dorthin. Das Geschlecht wiederum kann nicht alleine gedacht werden. Das eine Geschlecht ist für das andere Geschlecht gemacht. Also ist auch das Bewusstsein für das Geschlecht etwas Anderes? Der Reiz muss ja ankommen. Also stellt das Bewusstsein des Geschlechts eine notwendige Stufe vom Geschlecht zum Geschlecht des Geschlechts dar. Insofern sehe ich keine logischen Probleme bei dieser Bestimmung der Grenzen der Genese-Tabelle mit Hilfe dieses begrifflichen Duals.

Der Übergang in der zweiten Zeile ist aufgrund der Zeilentrennstriche auch leicht verständlich. Aber was ist mit der ganzen logischen Folge:

a. Geschlecht des Bewusstseins b. Bewusstsein des Bewusstseins c. Bewusstsein

d. Bewusstsein vor Geschlecht e. Geschlecht vor Bewusstsein

f. Geschlecht g. Bewusstsein des Geschlechts h. Geschlecht des Geschlechts ?

Warum muss in der zweiten Zeile überhaupt das Geschlecht zu dem Bewusstsein dazukommen und warum muss das Bewusstsein vom Geschlecht zur dritten Zeile hin wieder abgezogen werden? Was hat das Bewusstsein davon? Wenn das Bewusstsein alles ist, kann es nur mehr werden, wenn es von Neuem startet. Das Ganze muss dafür zum Punkt werden. Das Ganze wird dadurch nicht kleiner, da das Bewusstsein sich in keinem Verhältnis zu einem Vergleichsobjekt befindet. Der ganze vorherige Raum ist nun im Punkt enthalten. Und: der Raum für eine zukünftige „Ausdehnung“, für Komplexität ist wieder da. Das Bewusstsein braucht das Geschlecht für eine neue Endlichkeit. Warum muss das für das Geschlecht so sein? Das Geschlecht darf den Ursprung nur in sich selber haben.

Wenn jene Reihenfolge von a. bs h. richtig ist, ist das eine bedeutende Erkenntnis und auch auf andere logische Bereiche übertragbar.