Der deutsche Verbund

Wie kommt es überhaupt dahin, dass man gemeinsame Interessen artikuliert? Die Realität der Nation ist niemals statisch. Was heißt es, für andere zu sprechen? Welche Rolle spielen die Medien (wenn sie überhaupt eine Rolle spielen!)? Welche Rolle spielt Kritik hierbei, eine positive, oder eine von vornherein negative? In welcher Komödie oder Tragödie spielt wer die Hauptrolle und wer dirigiert das Geschehen aus dem Hintergrund? Wer gibt die Antworten auf die Fragen, die sich alle stellen und wer verschafft welchen Fragen Gehör? Muss man erst darauf warten, dass die Keime von einer zur anderen biologischen Existenz hüpfen?

Bezüglich der Interessenartikulation gibt es in diesem Land eine Dreiteilung, die durchaus Sinn macht. Man kann auf drei Ebenen wählen: auf der obersten staatlichen Ebene, auf der Ebene seines Bundeslandes und auf der kommunalen Ebene. Diese Dreiteilung findet sich nicht ganz konsequent in den Entscheidungsorganen wieder, in die Repräsentanten hineingewählt werden können und in denen Abstimmungen vorgenommen werden können. Als vierte Ebene ist die europäische hinzugekommen, ohne dass hier eigentlich ein gleicher Einfluss von bürgerlicher Seite ausgeübt werden kann.

Logischer Exkurs zur Föderalität:
Um die Föderalität zu verstehen, müssen wir den Gegenbegriff zur Souveränität bestimmen. “Souveränität” können wir grob als die Handlungsmacht bestimmen, die wir für uns deshalb besitzen, weil es keinen außer uns gibt, der es für uns tun will. Die Souveränität ist die Quelle aller Befugnisse nach außen, die wir für uns beanspruchen. Nach dem Gegensatzpaar superanus/infernus wäre der Gegensatz zur Souveränität die “Infernalität”. Der Begriff der “Souveränität” verweist auf das, was größer ist als wir selbst und dass wir dieses in uns selber tragen. Der Begriff der “Infernalität” verweist auf das, was kleiner ist als wir selbst und dass wir dieses nicht in uns selber tragen. Durch die Souveränität reagieren wir auf das, was oberhalb der staatlichen Ebene liegt, mit der Infernalität auf das, was unterhalb der kommunalen Ebene liegt. In dieser Logik gibt es also für uns insgesamt nicht drei, sondern fünf Ebenen: diese Logik verweist auf etwas Ethisches. Innerhalb der staatlichen Einheit als Ganzer impliziert Souveränität die Gleichsetzung der drei politischen Größenebenen: national/regional/kommunal, was die Handlungsimperative angeht. Die Infernalität impliziert hier das genaue Gegenteil: national, regional und kommunal fallen auseinander. Dieser Sachverhalt ist auf den reinen Gegensatz von Position(“es gibt etwas”) und Negation(“dieses Etwas gibt es nicht”) zurückzuführen. Gleichzeitig muss es aber auch die Souveränität der Kommunen gegenüber den Ländern geben (die staatliche Ebene bleibt außen vor) und die Souveränität der Länder gegenüber dem Staat(die kommunale Ebene bleibt nicht außen vor). Ebenso gibt es zwei Infernalitäten innerhalb der gegliederten staatlichen Einheit: die Infernalität der staatlichen Ebene gegenüber der Länderebene (die kommunale Ebene bleibt außen vor) und die Infernalität der Länderebene gegenüber der kommunalen Ebene (die staatliche Ebene bleibt nicht außen vor). Wenn wir das verstehen, erkennen wir, dass im Verbund ganz natürlich durch den infernalen Gesichtspunkt den ungleichen Interessen der Menschen und durch die Souveränität den gleichen Interessen der Menschen Rechnung getragen wird, was die politischen Größenebenen anbetrifft. Unsere beiden Begriffe “Souveränität” und “Infernalität” haben für uns durch die Grenze nach Außen, die wir durch den Souveränitätsbegriff internalisieren, und durch die Grenze nach Innen, die wir durch den Infernalitätsbegriff externalisieren, ihre besondere Bedeutung. Der erste Aspekt, den wir herausgestellt haben, betraf die staatliche Einheit als Ganze, der zweite Aspekt die Beziehungen innerhalb seiner Gliederung. Der dritte Aspekt betrifft die Elemente in ihrer Auflösung. Hier geht es also um das, was in den Gliederungen existiert. Um den inneren Zusammenhang dieser drei Aspekte näher zu bestimmen, können wir den zweiten Aspekt genauer betrachten. Es gibt jeweils eine Beziehung zu einer anderen Größenebene (ob nun souverän oder infernal bestimmt) und aus dieser Beziehung ergibt sich ein entweder inklusives oder exklusives Verhältnis zur dritten Größenebene, ohne dass man dafür eine weitere Verknüpfung herstellen müsste. Wir müssen noch souveräne Souveränität (inklusiv), infernale Souveränität (exklusiv) und souveräne Infernalität ( exklusiv), infernale Infernalität (inklusiv) unterscheiden. Wenn wir solchermaßen den inneren Zusammenhang unserer Begrifflichkeit bestimmt haben, können wir die Begrifflichkeit zu der Ausgangssituation zurückbinden: wie ist konkret z.B. die Souveränität der Bundesländer auszugestalten oder wie sind z.B. die Kommunen als gestalttragende Gebilde vor der Infernalität zu bewahren bzw. auf welche Weise können sie dieser Rechnung tragen? Das Ziel muss sein, dass jeder sich an den “Foedus”(den Vertrag des Treuebundes) halten will, und nicht, dass sich Politiker verabreden können, wie sie die Bürger am Besten hintergehen können: Die Bürger dürfen nicht vergessen, dass sie es sind, die Institutionen mit Macht ausstatten können. Ein Resultat dieser Begriffslogik betrifft natürlich die Kompetenzen der EU und die Weise, wie die Organe der EU Beziehungen zwischen den Nationen für diese regeln möchten. Es ist hier auch eine gewisse Halbherzigkeit am Werke, denn natürlich gibt es auch Bereiche, wo Koordinationen durchaus Sinn machen. Die EU ist zugleich zuviel für Europa und zuwenig für u.a. Deutschland und beides ist genauer zu bestimmen.

.

In der Medienlandschaft gibt es ebenfalls Zeitungen, die sich auch den lokalen Geschehnissen widmen, Zeitungen und Wochenzeitungen, die ohne lokalen Fokus auskommen, Boulevard- und Fachzeitschriften, die mehr oder wenige allgemeine Interessen befriedigen und die regionalen Sendeanstalten des öffentlichen Rundfunks.

Ebenso gibt es Interessenverbände, die sich um bestimmte lokale, regionale und überregionale Angelegenheiten kümmern wollen: auch als Partei vor allem in Form der Grünen schon lange etabliert und nun in dem Land der arbeitssamen Badener und Schwaben auch an der Regierung.Im Bereich des Umweltschutzes ist der Einzug von bestimmten Interessen in das Parlament also geglückt. Aufgrund eines einzelnen Vorfalls in einem fernen Land steht nun in diesem Land bald das Ende der Kernenergienutzung bevor und die Grünen verlieren ein wesentliches Agitationsfeld. Die Regierung unter Merkel reagiert mit ihrer Wende in der Atompolitik auf Ängste in der Bevölkerung, die zuletzt den Grünen einen erstaunlichen Aufschub verschafften.
Insgesamt dürfte der Umweltschutz in Zukunft kein Thema sein, woraus eine Partei eine exklusive Existenzberechtigung ziehen könnte. Der friedliche Lebenstil, der von den Grünen propagiert und gelebt wird, dürfte sie in Zukunft vor allem von den anderen Parteien abheben und in einer eher vordergründigen Weise. Ob das reicht, wage ich zu bezweifeln, da sie im Ausland durchaus bereit sind, militärische Aktionen zu humanitären Zwecken zu befehlen, ohne in diesem Bereich über eine ausreichende Begrifflichkeit zu verfügen. Sie haben aber mit die unverstellteste Herangehensweise zu diesem Thema. Weil sie nicht zwischen Innen und Außen unterscheiden können? Der Einzug der grünen Bewegung in die Parlamente war von Anfang an prekär, weil sie damit ein prägendes Betätigungsfeld außerhalb des Parlaments ideell aufgegeben haben und einräumten, dass die bestehende Struktur einen Wert an sich hat, dem sie beipflichten können. Die Kämpfe zwischen Realos und Fundamentalisten prägten die Geschichte der Grünen für eine lange Zeit in existentieller Weise.
Der Verbund ist nicht angewiesen auf die Extra-Artikulation von allgemeinen Interessen, die an der Nicht-Unterscheidung von Innen und Außen und von lokal/regional/überregional ansetzt und diese Unterschiede durch die Parlamentarisierung wieder hineinholen will. Es widerspricht geradezu der souveränen Interessenartikulation auf den verschiedenen Ebenen.
Die außerhalb des Parlaments verbliebene linksradikale Opposition (z.B. Autonome) verteidigt dagegen nur eigene Bereiche. Dadurch wird zwar eine Praxis geschaffen, die auf den verschiedenen Ebenen eindeutig ausgemacht werden könnte: besetzte Häuser(lokal), organisierte Aktionen auf Demos oder in den besetzten Häusern(regional), gleiches und Bekundungen u.a. auf Konferenzen(überregional). Es fällt aber auf, dass hier etwas im Lokalen enthalten sein muss, dieses aber zu keiner Begrifflichkeit kommen kann, und dieses Nichts im Lokalen und dieses Lokale müssen wiederum im Regionalen enthalten sein wie dieses im Überregionalen enthalten sein muss. Diese Verhältnisse werden auch durch das Verhältnis von Hippie zu Punk in diesen Szenen illustriert. Punk wird gebraucht, weil es am ehesten ein widerständiges, außerhalb der legitimativen Basis der Gesellschaft stehendes Element repräsentiert, steht aber selbst auch außerhalb der legitimativen Prozesse in diesen Szenen. Aus gutem Grund, weil diese die Asozialität von Punk gar nicht aushalten könnten. Wenn sie es doch versuchen würden(oder zulassen!), würde die Pervertierung von Freiheitsidealen auch nach außen sichtbar werden. Was da teilweise verteidigt wird – ich muss es so sagen – ist die Perversion selber. Zwar kann das auch anders aussehen, aber warten möchte ich darauf nicht und darauf kann kein menschliches Wesen warten möchten, wenn es sein Schicksal selbst in die Hand nehmen will. Das Nichts ist immer in der Lage, durch weniger als nichts ersetzt zu werden.

Von dieser Radikalität ist also auch nicht viel zu erwarten. Man muss die Macht schon den Menschen anvertrauen, ihnen in Hinsicht der Verfolgung der eigenen Belange vertrauen. Der Ansprechpartner – wie kann es anders sein – kann aber erst einmal und immer wieder zuerst nur das eigene Volk sein, diejenigen Menschen, deren Sprache das Herz spricht, auch wenn es einmal zu schlagen aufgehört haben sollte. Denn man selber ist nichts anderes als ein Wassertropfen, der von dieser Wolke “Volk” auf das Land fällt, das Leben heißt.