Texte/“Literatur“



Die Wendung ins Positive 1949

27.5.2024

Die Wendung ins Positive 1949 bei Gottfried Benn, in Gottfried Benn. Mit 63 Jahren. Benns Texte kann man analysieren und viel Fehlerhaftes finden. Wenn man sich nicht ausdrücken kann, nennt man die verbliebenen Versuchsanordnungen „Expressionismus“? Wird man auch fündig? Zerrt man was ans Licht, was den Aufwand lohnt? Ich las heute den Text „Der Radardenker“ zwei Mal. Hier fand ich etwas, was ich im „Roman des Phänotyp“ vergeblich gesucht hatte. Den ich allerdings nur ein Mal las.

Zitate von den beiden letzten Seiten des Textes:

„Nun müssen wir ihn [den Radardenker] aber von Außen betrachten und da ergibt sich folgendes: …. Mehr ist natürlich auch der Radardenker nicht– [hier: Name der Angebeteten] – etwas allgemeine Gültigkeit mit Zeichen von Situationärem“.

[Zweites Aber:]“Aber einem Gedanken hat er nicht genügend Rechnung getragen … .

Die Sache ist kurz folgende. Der Gedanke, dem er nicht genügend Rechnung getragen hat, ist der, der Mensch ist nicht ein Ende, nicht die Krone der Schöpfung, sondern ein Beginn. Was er leidet, was ihn bedrückt, was ihn verfinstert, sind Kinderkrankheiten, Zahnungsmisshelligkeiten, Entwicklungszuckungen – er ist noch nicht eingerenkt in die neue Konstruktion. Es zieht sich nämlich eine systematische Grenze allererster Ordnung zwischen die beiden Gattungen des Anthropoiden und des Sapiens einerseits und der ganzen vorherigen Welt andererseits“.

„Die Plastizität des Werdens wendet sich in neue Dimensionen, beschränkt offenbar alle ihre Mächte auf dieses Thema, variiert sich in Entfaltungen – … “.

„Jeder ist inbegriffen – aber niemand kann mehr sein als etwas allgemeine Gültigkeit mit Zeichen von Situationärem. Also [hier: Name der Angebeteten] ganz groß – zu Tisch geführt von Genetik und Paläontologie, die Ouvertüre setzt ein, komponiert in Ultraschall, vorgetragen von Muschelbläsern!“

Ganz so ist es vielleicht nicht, aber es wird klar, was gemeint ist.

„Alle Teufel werden fluchen,

denn dort können sie nicht suchen“(ich)

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eine meiner Lieblingsbands drückte es noch anders aus, 1987

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P.S.(10.6.2024): die Lebenszeit ist begrenzt; finanzielle Mittel besitze ich nicht; wenn bitte per Anwalt zukommen lassen; sonst geht noch was verloren; bezüglich der Literatur wäre mein Ziel eine Integration von „Literatur“/“Literaturen“ in eine Theorie der virtuellen Differenzierung; ihre Funktion und Bedeutung für Kultur, etc.; zu unterscheiden sind natürlich Lyrik, Dramatik und Epik; hierfür braucht man dann prominente Beispiele, die am Besten auch noch über diese Äußerungsformen reflektiert haben; es geht auch um eine Ordnung dieser Äußerungsformen zueinander; für die 1.Hälfte des 20. Jahrhunderts kann man Benn für die Lyrik nehmen und Brecht für die Dramatik; aber wen für die Epik?; B…B…B…Böll?; Böll ist eher ein Autor der ersten 2, 3 Jahrzehnte der BRD; alle drei sind sehr bekannt und viele kennen zumindest ein Drama von Brecht oder einen Text von Böll; der Gegenspieler von Böll in der „öffentlichen Diskussion“ war der heruntergemachte Gerd Gaiser; aber Gerd Gaiser war eher ein schwäbisches Eigenprodukt; mir wohl näher als Böll; neben Böll gibt es dann noch Grass, Lenz, etc.; der große Romanleser will ich nicht werden; mir reicht für die Forschung die systematische Auseinandersetzung; es gibt Romane; es gibt Germanisten; und es gibt viele Bücher von Germanisten über Romane und Schriftsteller; wenn Böll, dann nicht weiter als bis zum „Gruppenbild mit Dame“; schon der Titel ist bezeichnend (statisch?); es fehlt die Verve; das Katholische und die Transsubstantiation des Textes durch den Leib(?); wirklich Böll als Dritter?; aber letztlich geht es auch darum, dass zwar Benn, Brecht und Böll(?) hohe Ansprüche an ihr Werk hatten, jedoch alle drei systematisch gescheitert sind; das zu beweisen, ist glaube nicht so schwer und so erhellt man das Wesen von „Literatur“; „aber mach es doch mal besser!“; nach dem Wort also die Tat; oder nur das nächste (End-?)Wort?(wie bei Benn!); Benn und Brecht starben beide im Sommer 1956 in West- bzw. Ostberlin; es gibt natürlich auch noch Hermann Hesse; oder Robert Walser?; Robert Walser starb am 1. Weihnachtstag des Jahres 1956; ist W die Frage und B die Antwort?; Robert Walser war ein SchWeizer (und Robert Musil ein Österreicher; u.a. Böhmisch-mährisch)


P.P.S.(13.6.2024): Des Rätsels Lösung war jetzt nicht so besonders schwer. Aber hier handelt es sich ja eigentlich nicht um ein Rätsel. Und ich glaube auch nicht, dass Benn jetzt unbedingt „das Richtige“ machen wollte. Aber Goethe war einer seiner Orientierungspunkte. Im Bereich der Kultur auf die zyklische Permutation zu verweisen, ist mir auch nicht genug. Aber sich dagegen wehren? Als Wissenschaftler? Brecht gibt den Hinweis, wenn er ein „episches Theater“ will.

Falsch:

1. Dramatische Lyrik(Benn?)

2. Epische Dramatik(Brecht)

3. Lyrische Epik(R. Walser?)

Auch wenn in Benns Gedichten selten verschiedene Figuren sprechen(obwohl: „normale Schizophrenie“?), haben vom Modus her die meisten Gedichte von Benn einen dramatischen Anstrich. Und auch wenn Walser in seinen oft kurzen Erzählungen selten reimt(ich kenne tatsächlich nicht so viel von ihm), kann man oft von einer lyrischen Tonlage sprechen.

Richtig wäre dann nach der zyklischen Permutation:

1. Epische Lyrik (Rilke?)

2. Lyrische Dramatik(Goethe?, Schiller?)

3. Dramatische Epik(Storm?)

Noch richtiger wären allerdings:

1. Dramatisch-epische Lyrik

2. Episch-lyrische Dramatik

3. Lyrisch-dramatische Epik

Alles, was schon einmal war, kann man besser machen. Und nicht wie „Roll over Beethoven“ oder „Beethoven junior“(?). Vielleicht kann sogar KI die jeweils perfekte Form des Beethovenschen Ansatzes, der Beethovenschen Form herausarbeiten. In den jeweiligen Themenfeldern. Aber wenn man das selber macht, geht man dann nicht noch weiter? Für die Wissenschaft sind die „fehlerhaften“ Sachen vielleicht die interessanteren. Weil Wissenschaft kann schlecht Kultur sein. Wo ist die Autorität der Wissenschaft gegenüber Rilkes Imagination in seinen Gedichten des ersten Buches der Bilder? Aber eine Theorie der virtuellen Differenzierung muss auch dazu etwas sagen können. Wenn Benn von der zeitlosen Lyrik spricht, kann er eher Rilke (allerdings nicht den ganz frühen, spätmittleren oder späten) und nicht sich selber meinen.

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P.P.P.S.(16.6.2024): Drei Literatentode. Sie starben wie sie schrieben. 1956 muss die Logik gesellschaftsweit erfahrbar ausgebildet gewesen sein, die Benn, Brecht und R.Walser als Literaten überflüssig gemacht hatte. So konnten sie ins Grab sinken. Nach einer gemeinsamen Logik. Auch Walser folgte dieser. Er schrieb schon seit 1933 nicht mehr. Nach einem geistigen Zusammenbruch 1929. Ein wahres Kind der Gesellschaft. Er fiel am 1. Weihnachtstag in den Schnee. Sein Körper gab der Schwerkraft nach. Er soll einen Herzschlag bekommen haben. Die Bürde warf sein Körper ab. Brecht litt zum Schluss auch an Chorea minor, an ausfahrenden Bewegungen, wie sie ein Schauspieler auf der Bühne auf Anweisungen eines Regisseurs vollführt. Er trat von der Bühne ab. Benn konnte zum Schluss wegen seiner Knochenmetastasen noch nicht einmal mehr baden. Er gab der Welt die Büste zurück.

Drei Literatentode:

  1. Dramatische Lyrik: die Büste(in der Wüste)
  2. Epische Dramatik: die Bühne(in der Düne)
  3. Lyrische Epik: die Bürde(in der Förde/Fürde)


13 Gedichte von G.Benn(vom Geben)

25.6.2024

Ich habe mir 13 Gedichte von Benn herausgesucht. Die Auswahl, die Thorsten Ries für seine textgenetische Untersuchung vornahm und mit einem hochtrabenden Titel veröffentlichte, übernehme ich einfach. Obwohl natürlich ziemlich willkürlich. Bei dem Titel „Verwandlung als anthropologisches Motiv in der Lyrik Gottfried Benns“ hatte ich mehr erwartet als nur die Kunst der Dokumentation der schriftfaktischen Entstehung der Gedichte. Nur was für Fans. Eine Gesamtschau der gesamten Lyrik von Benn ist für mich jetzt schon fast möglich. Zwei Bände reichten ja für sein ganzes lyrisches Schaffen aus.

Die 13 Gedichte stammen aus der Zeit von 1935 bis 1953. Sie sind sehr unterschiedlich. Das ist bei dieser Auswahl natürlich gut. Aber für mich besitzen sie auch eine unterschiedliche Relevanz. 12 der 13 Gedichte stammen aus dem Band der Gedichtesammlung(„Sammlung von 1956“) und eins(„1886“) aus dem Gedichte-“Resteband“. Ich bin eher ein Soziologe als ein passionierter Literaturwissenschaftler. Aber so wie die Wirtschaftswissenschaft betrachte ich auch die Literaturwissenschaft als ein Teilgebiet der Soziologie. „Geisteswissenschaft“ – was ist das? Hardcore-Kulturwissenschaft? Die Seele vom Sein oder die Seele vom Sinn? Das müsste man genauer bestimmen.

Ich führe diese Gedichte auch nur an und bewerte sie nach meinen Maßstäben und untersuche sie nicht im Einzelnen. Der arme Benn. Muss ich ihm das wirklich antun? Dem großen Wort-Mystagogen. „Goethe war nicht gut“ wäre ja meine Antithese. Ich kann es beweisen. Die Mängel des Faust sind doch offensichtlich. An Struktur und Inhalt. Bevor man dieses Buch mit seinen zwei Teilen als Geschenk an die Welt preist, sollte man es erst ein Mal verstanden haben. Und wer es verstanden hat, dem können die Grenzen von Goethes Kunst nicht entgangen sein. Das Thema ist groß – OK. Hybrid? Ist Goethe vielleicht sogar schuldiger(kompatibler mit) an „Hitler“ als Nietzsche?

(von 1935)

1. Ach, das Erhabene(das Erhabene hat in der deutschen Kunsttheorie und in der deutschen Kulturtheorie einen eminenten Stellenwert; hier beteiligt sich Benn daran in seinem Medium; wichtige Begriffe dabei: Reinheit, Numinosität; Pflicht; das Ende in Gott; die Form ist etwas zu gezwungen) (Fülle:6/Dichte:6/Schwebe:3/Gesamt:5)

2. Astern (im Grunde Naturerfahrungslyrik; Zurücktreten des Indidviduellen und symbolisierte Vergänglichkeit) (F:5/D:4/S:6/G:5)

3. Die weißen Segel(der auch gegenüber Gott auf sich allein Gestellte auf großer Fahrt; oft bleibt es bei der Variablen als Lösung; das hohe Gut der Inspiration; mit der Schwebe ist es bei Benn so eine Sache; Mittel oder Zweck?)(F:4/D:5/S:6/G:5)

(von 1941)

4. Monolog(das lange, große, erst nach de Nazizeit erhältliche Anti-Naziwerk; sonst ist Benn immer so subtil; aber hier geht Kritik so einfach; die Unterscheidung zwischen guter und böser Aggression ist entscheidend; den Bösen schaden; und Ehre einheimsen; wann und wo?; artistische Analyse der Nazi-Barbarei; was die Nazis nicht wollten, war aber klar)(F:5/D:5/S:5/G:5)

(von 1943/1944)

5. Verlorenes Ich (Technikkritik nach Benn; da war Benn wirklich groß; weil er es sich nicht einfach macht; als Spieler der Kulturmannschaft; Reime als zielgenaue Pässe)(F:6D:6/S:7/G:6,33)

6. 1886(das Jahr von Benns Geburt; der Blinde Fleck als Text; was ist da alles passiert?; was gab es an Kultur?; können Statistiken etwas erklären?; der Filter; für Benn war es trotzdem wichtig; sein Dopplerleben)(F:3/D:2/S:1/G:2)

7. St. Petersburg – Mitte des Jahrhunderts(die Deutschen unterliegen bei Stalingrad und Benn schreibt über St. Petersburg; zum Einen ist dieser Text das für die Ferne im Raum, was „1886“ in der Zeit ist; d.h. gemeinsamer kultureller Raum z.B. mit Dostojewski; zwar auch der Blinde Fleck als Text; aber eine andere Kultur; eigenständige Kulturleistungen; die letzten Worte dieses Gedichts: „Jeder, der einen anderen tröstet, ist Christi Mund- „; Benn sieht also gar keinen Sinn in Vernichtungsfeldzügen; aber zu viele Aufzählungen)(F:4/D:3/S:2/G:3)

(von 1946)

8. Orpheus Tod(der Text vom Theweleit-Buch; der von Benn faszinierte Theweleit; sind doch fast Poptexte!; der Tod von Benns zweiter Frau Herta von Wedemeyer; feministische Kritik von links von einem Mann an einem anderen Mann; auf Männer kommt es an; Benn und seine unterschiedliche Behandlung von Frauen; da bricht sie durch: die Wirklichkeit; „ – drohen-!“; jenseits des Mediums, der Medien; die Frau)(F:3/D:4/S:5/G:4)

9. Quartär(sehr viel Distanz zur Evolution der Menschheit; sehr flüssig; der Dichter kann räsonieren; mit Sprachgehalt und Waltgeschall; Perfektion zeichnet sich vorher ab; TV-Eye)(F:5/D:5/S:6/G:5,33)

10. Rosen(der Mensch ohne Kultur; was ist er?; das Bewusstein stellt sich seinen eigenen Tod vor, der Dichter sich das Ende der Dichtung; Rosen = das Endgezüchtete?; Rosen bleiben?;Dornen stechen!)(F:4/D:3/S:4/G:3,66)

(von 1950)

11. Reisen(die Weisheit im Alter; bleib zuhause und nähre dich redlich!; wenn es nicht die SPD gäbe; die rottet dich auch zuhause aus)(F:4/D:4/S:4/G:4)

(von 1953)

12. Nur zwei Dinge(eines seiner kürzesten und bekanntesten Gedichte; ist die Kinderfrage nicht eigentlich: „warum?“ und nicht: „wozu?“ ?; die zweite Strophe mit ihrem nicht zum Schema passendem ersten Satz; universelle Wahrheiten; ab der Pubertät fragt man dann eher „wozu?“; altersunabhängige Erziehungsinhalte; „Nur zwei Dinge“, von denen keines ein Ding ist)(F:5/D:5/S:6/G:5,33)

13. Destille(gekonnt und hier gibt es wohl die größte Nähe zur Popkultur; man nimmt scharf wahr; Abschweifung im Brennpunkt des Geschehens; Benns Gedichte haben oft so komische Enden; statt dem Ende gibt es hier eine „tiefe Stunde“; nicht gut; dramatische Lyrik; das Gehirn als Destille und das Bild des Gedichts; ja)(F:6/D:6/S:6/G:6)

(dieser Text war nicht unbedingt nötig)

P.S.(28.6.2024) : Drei Monate nach dem 70. Todestag von Gottfried Benn, am 7.10.2026, habe ich vor, ein Album zu veröffentlichen. Den Bandnamen „-drohen -!“ überlasse ich anderen. Eigentlich wäre dieser Bandname sogar besser geeignet. Aber es soll nicht das einzige Album meiner Band werden. Also nicht nur eine Benn-Tribute-Bennd. Meine Band heißt „Ruins and Aliens“. Den Bandnamen gibt es glaube ich noch nicht.

Folgende vertonte Gedichte von Benn könnten drauf sein:

Seite A:

1. Astern

2. Verse

3. Die weißen Segel

4. Verlorenes Ich

5. Ach, das Erhabene

Seite B:

1. Doppelkonzert

2. Selbsterreger

3. Orpheus Tod

4. Regressiv

5. Quartär

6. Leben – Niederer Wahn



P.P.S. zur Einordnung(30.6.2024): die Band „Ruins and Aliens“ gibt es nur als mich und als Konzept; an der Guitarre und an meinem Billigkeyboard habe ich in den letzten sieben Jahren auch nur jeweils 2 Mal gesessen